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12/2018: Windenergie und Tierschutz
Windenergie und Tierschutz
Wenn über Windenergie geredet wird, so steht der
Vorteil der erneuerbaren Energien im Hinblick auf eine nachhaltige
Energieversorgung im Vordergrund.
Der Ausbau der Energieträger wird forciert
vorangetrieben, und zwar überall im Land, wie auch den Wald-Erlassen
verschiedener Bundesländer - so auch NRW - entnommen werden kann.
So gibt es selbst in Nordrhein-Westfalens einzigem
Nationalpark, nämlich dem Nationalpark Eifel, Windräder. Abstandsflächen sind
zu menschlichen Aufenthaltsorten einzuhalten, da die schädlichen Auswirkungen
der Windräder nicht von der Hand zu weisen sind. Natürlich gibt es viele
Untersuchungen, die sich auch mit den Auswirkungen auf die Tierwelt
beschäftigen, und das Resultat lautet in der Regel, dass diese als gering
einzustufen sind. Ein Großteil der Tiere würde sich angeblich damit
arrangieren.
Schon diesen Schlussfolgerungen ist zu entnehmen, dass
eine Lobby für andere Lebewesen nicht existiert.
Es soll auch nicht verhehlt werden, dass Windkraft in
erster Linie finanzielle Aspekte betrifft, da schon durch das
Zurverfügungstellen der Flächen teilweise Summen von 70.000,00 Euro bis
80.000,00 Euro im Jahr eingenommen werden können, ohne die Windkraftbetreiber
und deren Gewinne darin zu berücksichtigen.
Als ich vor kurzem bei schönstem Sonnenschein und
etwas Wind durch die Wälder meiner Heimatstadt streifte, sah ich ca. 150 m vor
mir ein Windrad auf einer freien Fläche ca. 20 m vom Wald entfernt.
Das Schlaggeräusch war - da der Wind in meine Richtung
wehte - extrem laut und der Schlagschatten deutlich zu sehen. Zwei Rehe kamen
ca. 50 m vor mir aus dem Wald auf den Weg, blieben kurz stehen, schauten in
Richtung Schlaggeräusch, sahen den Schlagschatten und flüchteten fast panisch
in das gegenüberliegende Waldstück. Sie hatten dabei weder mich noch meinen
Hund registriert. Alles somit eine Frage der Gewöhnung.
Es wird teilweise ausgeführt, dass sich Rotwild im
Laufe von 1 bis 2 Jahren an Windräder gewöhnt, wenn keine weiteren Störungen
hinzukommen (Rheinisch-Westfälischer Jäger 1/16).
Festzuhalten ist, dass während der Baumaßnahme Rotwild
den Einzugsbereich von Windkraftanlagen großräumig meidet. Es meidet jedoch
auch den Bereich, soweit weitere Störungen hinzukommen.
In der Regel wird ausgeführt, dass eine Gewöhnung dann
eher eintreten kann, soweit das Gebiet im Übrigen nicht weiter gestört wird,
somit keine Besucher, Radfahrer, Wanderer oder Ähnliches in das Gebiet
vordringen. Insoweit sollten Baustraßen gesperrt werden.
Die Schlagschattenstörungen sind vor allem nachts bei
Mondlicht gravierend und nicht nur bei Sonnenlicht. Angeblich kommt es auch
hier zu einer Gewöhnung, wenn weitere Störungen nicht hinzutreten. Dabei wird
jedoch nicht berücksichtigt, dass der Schlagschatten wandert, je nach
Mondstellung und insbesondere weitere Störungen auch die Schlaggeräusche sind, die
je nach Windrichtung in völlig andere Richtungen schallen können.
Das bedeutet, dass nicht
konsequent nur ein ganz konkreter Bereich betroffen ist, sondern der gesamte um das
Windrad liegende Bereich und eine Gewöhnung daher nach diesseitiger Ansicht
nicht eintreten wird.
Ein
weiterer schadhafter Aspekt, der bei Windkraftanlagen zu berücksichtigen ist,
sind die Lichtemmissionen. Diese treten allerdings recht regelmäßig auf, so
dass hier ein Gewöhungseffekt zu bejahen sein dürfte.
Die
Untersuchungen im Hinblick auf die Schädigungen anderer Tiere betreffen
insbesondere Vögel und Fledermäuse. Einige Zugvogelarten orientieren sich sehr
stark an Landschaftreliefs und ziehen in einer Flughöhe dahin, die sie ggf. in
den Einflussbereich der Rotoren der Windräder bringt.
Es
werden daher grundsätzlich Notabschaltprogramme gefordert, die jedoch nur
äußerst restriktiv eingesetzt sind.
Auch
im südlichen Münsterland kann dieses beobachtet werden. Das südliche
Münsterland wird von vielen Zugvögeln, insbesondere Wildgänsen, überflogen und
als Zwischenstadion benutzt. Ein Abstellen der Rotoren konnte hier jedoch auch
zu Zugzeiten der Vögel nicht beobachtet werden.
In
Nordrhein-Westfalen schließt ein Erlass Windenergieanlagen in
Vogelschutzgebieten grundsätzlich aus, und es gibt darüber hinaus
Bestandsschutz bei Horsten für den Schwarzstorch von 5 Jahren, für den Uhu, den
Rotmilan und den Schwarzmilan von 2 Jahren.
Dieses
ändert jedoch nichts daran, dass festgestellt werden musste, dass in Gebieten,
in denen Windkrafträder geplant sind, Horste seltsamerweise verschwinden.
Eine
entsprechende Sperrzeit bringt an dieser Stelle überhaupt nichts, da die
Planung der Anlagen in der Regel bis zur Genehmigungsreife zwei bis drei Jahre
dauert und daher die Schutzfunktion nicht eintritt.
Gefordert
werden muss eindeutig, dass in all den Bereichen, in denen Horste der Tiere
entdeckt werden, für die nächsten 20 Jahre ein Verbot von Windenergieanlagen ausgesprochen
werden muss, unabhängig davon, ob sie noch beflogen werden oder bereits
zerstört sind.
Auch
der Bereich der Vogelschutzgebiete ist häufig zu eng gefasst. Die Vögel
befinden sich nicht alleine nur in diesen Bereichen, sondern überfliegen auch
Bereiche, die keine Vogelschutzgebiete sind und die daher nicht unter den
Ausschlusserlass fallen. Insoweit besteht zwingend die Forderung, sämtliche
Zugstrecken der Vögel zu ermitteln und den Bau von Windenergieanlagen
auszuschließen.
Eine
besonders gefährdete Gruppe stellen auch Fledermäuse dar. Insoweit wird auf die
Stellungnahmen der Deutschen Wildtierstiftung verwiesen. Diese haben zu dem
Thema "Windenergie im Lebensraum Wald" eine hervorragende
Stellungnahme herausgebracht, die sämtliche in Deutschland vorkommende
Fledermausarten berücksichtigen.
Zusammengefasst
bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass ein Großteil der Fledermäuse
zumindest in den mittleren Gefährdungsbereich einzustufen ist, wenn nicht gar
in den höheren Gefährdungsbereich. Wälder sind für fast alle Fledermausarten
unverzichtbar, und zwar als Fortpflanzungs- und Ruhestätten und als
Jagdhabitate, insbesondere in Laub- und Mischwäldern.
Dabei
steht noch nicht einmal so sehr die Kollision der Fledermäuse mit den
Rotorblättern im Raum, als vielmehr das sogenannte "Barotrauma". Es
handelt sich dabei um Verletzungen, die durch Ände- rungen des Umgebungsdrucks
und dessen Auswirkungen auf luft- und gasgefüllte Hohlräume verursacht werden.
Dabei spielt nicht nur das Ausmaß der Druckänderung eine Rolle, sondern auch
die Ge- schwindigkeit einer solchen Druckänderung. Ein Abschalten oder
Geringerschalten von Windrädern - gerade in der Nacht bei Flug der Fledermäuse
- ist zumindest in den von mir begangenen Regionen bislang nicht festgestellt
worden.
Wie
schon bei Rot- und Rehwild erwähnt, spielt eine wesentliche Rolle bei
Windenergie im Wald die Revierzerschneidung. Diese führt für alle Tierarten,
insbesondere auch für Fledermäuse, zu Risiken. Fledermäuse werden durch freie
Flächen angezogen, da sie dort Jagd machen und werden somit auf die
Windenergieanlagen zugeleitet. Die Revierzerschneidung führt zu einem anderen
Wildverhalten, und es ist zu beobachten, dass in den Jagdbeiräten selber häufig
von einem Wechsel des Rotwildes in der letzten Zeit berichtet wird, da das
Rotwild plötzlich in anderen Regionen gesehen wird.
Es
ist davon auszugehen, dass solche Änderungen gerade durch die Errichtung von
Windkraftanlagen in Waldgebieten erfolgen.
In
Bezug auf andere Tierarten ist ebenfalls festzuhalten, dass durch
Windkraftanlagen Verhaltensände- rungen ausgelöst werden können, Wildkorridore
unterbrochen werden und - unabhängig von den häufig festgestellten Äußerungen,
dass angeblich auf Dauer eine Gewöhnung eintritt - dieses eben nicht bei allen
Tierarten der Fall ist.
Untersuchungen
im Hinblick auf Insekten sind dem Unterzeichner selber nicht bekannt.
Betrachtet man all diese Äußerungen, ist festzuhalten, dass Windkraftanlagen in
Waldgebieten zunächst einmal definitiv nichts zu suchen haben. Sie zerschneiden
vorhandene Lebensräume, sie bringen Lärm und Licht in bislang ggf. noch
unerschlossene Regionen und zerstückeln die Landschaft weiter. Lebensräume für
andere Lebenwesen werden reduziert, wobei insbesondere festzustellen ist, dass
Pflanzen in der Betrachtung keine Rolle spielen und somit scheinbar bis heute
immer noch nicht als Lebewesen eingestuft werden.
Die
Tatsache, dass der Mensch nicht in der Lage ist, Tiere wirklich zu verstehen
und auch nicht in der Lage ist, Pflanzen zu verstehen, bedeutet nicht, dass wir
berechtigt sind, aus reinem Gewinnstreben die letzten naturbelassenen Räume
weiter zu zerschneiden.
Wir haben es uns angewöhnt, alles
nur aus der Betrachtungsweise des Menschen zu berücksichtigen und dabei nicht
zu abstrahieren und in unsere Überlegungen mit einzubeziehen, dass unsere
Betrachtungsweise eine völlig falsche sein kann, somit auch sämtliche
Interpretationen und Schlussfolgerun- gen, die wir daraus ziehen.
Die
durch die jeweiligen Länder und dem Bund aufgestellten Schutzregelungen gehen
eindeutig fehl und haben nur das Wohl des Menschen im Sinn, nicht jedoch wirklich
das Wohl der anderen Lebewesen auf diesem Planeten.
Wenn
ich bedenke, wie sich allein der Bereich des "Naturparks Hohe Mark"
im südlichen Münsterland in den letzten 20 Jahren geändert hat, und zwar durch
Industriegebiete, Windräder-Straßen etc., graust mir vor der Zukunft.
Ein
Nebeneinander auf diesem Planeten bedeutet, ein Nebeneinander der Menschen mit
den Tieren und den Pflanzen und bedeutet somit auch, dass jede dieser
Gruppierungen ihren eigenen von den anderen nicht beeinträchtigten Lebensraum
haben muss.
Jörg Erbguth
Tierheim & Tierschutz
Recklinghausen e. V.
Mitglied des Gesamtvorstandes des
Landestierschutzverbandes Nordrhein-Westfalen e. V.
12/2018