Aktuelles
03/2020: Zeitnahe Mittelverwendung
Das Gebot der zeitnahen
Mittelverwendung und die Bildung von Rücklagen im gemeinnützigen Verein
Der gemeinnützige Verein genießt einige steuerliche
Vergünstigungen, damit zum Wohl der Allgemeinheit anerkannte Zwecke
verwirklicht werden können. Die Grundlagen für die Vergünstigungen sind in der
Abgabenordnung (AO) verankert. Diese Vergünstigungen sind an eine Vielzahl von
Bedingungen geknüpft. Eine davon ist die zeitnahe Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1
Nr. 5 AO). Der Gesetzgeber will erreichen, dass die Mittel des Vereins zeitnah
für den gewählten gemeinnützigen Zweck eingesetzt werden. Als zeitnah wird
definiert, dass die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei
Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen
Zwecke eingesetzt werden. Mittel des Vereins können u.a. bestehen aus
Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Erbschaften, Zuschüssen, Zuwendungen von Behörden
und auch Einnahmen aus der Vermögensverwaltung oder aus Aktivitäten in
Zweckbetrieben (z.B. Tierheim) sowie wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die
keine Zweckbetriebe sind (z.B. Verkauf von Speisen und Getränken).
Vereine mit einem Tierheimbetrieb stehen bei der
Haushaltsplanung vor der Aufgabe, in der Regel relativ feststehende Kosten mit
ungewissen Einnahmen zu decken. Daher ist das Bedürfnis, eine möglichst hohe
Rücklage für schlechte Zeiten zu bilden, nachvollziehbar. Gerade im Bereich
Tierschutz begegnen wir fast ausschließlich ehrenamtlichen Vorständen, die sich
in ihrer Freizeit bereit erklärt haben, Verantwortung zu übernehmen und den
Verein, oft auch mit einem Tierheimbetrieb, zu führen. Eine solide Finanzierung
zur Sicherung der langfristigen Tierschutzarbeit, des Tierheimbetriebes sowie
der Mitarbeiter und nicht zuletzt der Vorstände, ist eine wesentliche
Voraussetzung für den Bestand eines Vereines.
Welche Möglichkeiten bietet die Abgabenordnung einen Teil
der erhaltenen Mittel für die Zukunft des Vereins und als Sicherheit für die
langfristige Tierschutzarbeit zu wahren?
Zunächst gibt es Mittel, die bei der Zuführung an den Verein
keiner zeitnahen Verwendung unterliegen. Das sind:
1. Zuwendungen von Todes wegen, also Erbschaften oder
Vermächtnisse, wenn der Erblasser keine Verwendung für den laufenden
Aufwand des Vereins vorgeschrieben hat. Der Vorstand kann der
Mitgliederversammlung vorschlagen, diese Mittel zum Aufbau des Vereinsvermögens
zu verwenden und zum Beispiel als Kapitalanlage oder Investition in eine
Immobilie zu führen.
2. Zuwendungen, bei denen der Zuwendende ausdrücklich
erklärt, dass diese zur Ausstattung des Vereins mit Vermögen oder zur
Erhöhung des Vermögens bestimmt sind.
3. Zuwendungen auf Grund eines Spendenaufrufs des Vereins,
wenn aus dem Spendenaufruf ersichtlich ist, dass Beträge zur Aufstockung
des Vermögens erbeten werden.
4. Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen
gehören. Hierzu könnten der Erhalt einer Immobilie durch eine Erbschaft
oder ein Vermächtnis zählen. Die Immobilie wird in diesem Fall nicht
veräußert, sondern im Vermögen des Vereins belassen.
Die Erträge aus diesen Anlagen werden im Bereich der
Vermögensverwaltung erwirtschaftet und wieder dem gemeinnützigen Zweck
zugeführt. Bei größeren Vermögen bietet es sich an, für den Verein eine
Anlagerichtlinie zu entwickeln, in der die Strategien festgelegt werden, die
den langfristigen Erhalt der Mittel sichern. In dieser Richtlinie würde zum
Beispiel festgelegt, welche Risikostruktur bei der Anlage von Kapitalvermögen
einzuhalten ist. Diese Anlagerichtlinie sollte von der Mitgliederversammlung
verabschiedet und bei der jährlichen Kassenprüfung auf Einhaltung geprüft
werden.
Für Mittel, die der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen,
bietet die Abgabenordnung die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden. Die Bildung von
Rücklagen führt zur Durchbrechung der Vorgabe, die Mittel spätestens in den auf
den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren zu verwenden.
Welche Rücklagen dürfen gebildet werden?
In der Abgabenordnung (§62) ist bestimmt, in welche
Rücklagen der gemeinnützige Verein seine Mittel ganz oder teilweise einstellen kann.
Das sind:
1. Rücklagen, die erforderlich sind, um die steuerbegünstigten,
satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig zu erfüllen. Hierzu zählen Rücklagen für
bestimmte Projekte. Ein sehr langfristiges Projekt kann bei vielen
Vereinen der Bau eines neuen Tierheimes oder einzelner Gebäudeteile sein.
Die für diesen Zweck in dieser Rücklage, in der Regel über viele Jahre,
zugeführten Mittel sollten gesondert vom Vermögen für die laufende
Tierschutzarbeit angelegt werden. Es gibt aber auch Projekte mit einer
geringeren Laufzeit, zum Beispiel die Renovierung des Tierheimdachs, für
das man über wenige Jahre Mittel „zur Seite“ legt.
2. Eine Rücklage für Wiederbeschaffung von
Wirtschaftsgütern, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten,
satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind. Voraussetzung für die Bildung
ist die ernsthafte Absicht zur Anschaffung. Dabei muss das
Ersatzwirtschaftsgut wertmäßig dem vorhandenen Wirtschaftsgut gleichen und
die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der tatsächlichen Nutzungsdauer
entsprechen. Die Höhe der jährlichen Zuführung bemisst sich nach der Höhe
der regulären Absetzung für Abnutzung für das zu ersetzende
Wirtschaftsgut. Typisch für eine solche Rücklage wäre die Anschaffung
eines neuen Fahrzeuges. Je nach Fahrzeugtyp würde eine Zuführung üblicherweise
über 6 Jahre erfolgen. Eine höhere Zuführung müsste nachgewiesen werden,
z. B. durch einen technischen Schaden des vorhandenen Fahrzeuges, das
zeitnah ersetzt werden muss.
3. Freie Rücklagen, diese bieten eine Möglichkeit,
Vereinsmittel ohne feste Projekte für unvorhersehbare Ereignisse zu
erhalten. Die Zuführung in freie Rücklagen ist begrenzt auf:
- ein Drittel des Überschusses aus der Vermögensverwaltung
und
- jeweils höchstens 10 Prozent der ansonsten zeitnah zu
verwendenden Mittel aus dem ideelen Bereich, dem Zweckbetrieb und dem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Sollte der Höchstbetrag der Zuführung in die freie Rücklage
in einem Jahr nicht ausgeschöpft worden sein, so kann diese unterbliebene
Zuführung in den folgenden zwei Jahren nachgeholt werden. Der Fall, dass nicht
genug flüssige Mittel zur Bildung von freien Rücklagen zur Verfügung stehen
kann z.B. vorkommen, wenn durch Investitionen ins Anlagevermögen Mittel
abgeflossen sind, die Abschreibungen aber auf mehrere Jahre verteilt werden
müssen und sich damit die Ausgaben nicht im Jahr der Investition auswirken.
Grundsätzlich ist es immer zu empfehlen, freie Rücklagen
ausschöpfend zu bilden. Diese Rücklagen können unbegrenzt, losgelöst von
Projekten erhalten bleiben, aber auch kurzfristig aufgelöst werden, wenn der
Einsatz der Mittel zur Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke erforderlich wird.
Ferner bieten freie Rücklagen die Möglichkeit, Mittel für die Gründung oder
Beteiligung an einer gemeinnützigen GmbH einzusetzen, das ist aus zeitnah zu
verwendenden Mitteln nicht erlaubt.
4. Eine weitere Möglichkeit im Zusammenhang mit der
Beteiligung an einer gemeinnützigen GmbH ist die Bildung einer Rücklage
zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung
an Kapitalgesellschaften. Die Bildung dieser Rücklage mindert aber die
mögliche Zuführung in die freie Rücklage. Diese Mittel können erforderlich
werden, wenn bei einer gemeinnützigen GmbH die Stammeinlage erhöht wird
und die Beteiligungsquote erhalten bleiben soll.
Die gebildeten Rücklagen sind, bis auf die freien Rücklagen,
nach Erfüllung des Zwecks der Rücklage oder nach Wegfall des Bildungsgrundes
unverzüglich aufzulösen und die freigewordenen Mittel unterliegen dann wieder
dem Grundsatz der zeitnahen Verwendung.
Der Finanzbehörde sind die gebildeten Rücklagen darzulegen
und nachzuweisen. Die Aufzeichnung erfolgt entweder innerhalb der
Rechnungslegung oder als Nebenrechnung in Form eines Rücklagenspiegels.
Aufzuzeichnen sind die Bildung, die Inanspruchnahme und die Auflösung der
Rücklagen.
Mit diesem Gestaltungsspielraum zur Verwendung der Mittel
ist jedem gemeinnützigen Verein die Möglichkeit gegeben, die Tierschutzarbeit
auf eine solide Grundlage zu stellen und langfristig mit Herz und Verstand zu
gewährleisten.
Monika Lange
Tierschutzzentrum Duisburg e. V
Mitglied des Gesamtvorstandes des Landestierschutzverbandes
Nordrhein-Westfalen e. V.
03/2020